#02 Vision Alleenpark
1. Preis beim Ideenwettbewerb DIE ZEIT »ZEIT für Deine Stadt« 2018
von Beatrix Baltabol und Rebecca Faller
Mit der Themenreihe „Straßen als Lebensraum – Zukunftsvisionen für Frankfurt“ möchten wir in mehreren Beiträgen den Blickwinkel zurück auf Straßen als urbane Räume lenken und Zukunftsperspektiven für große Frankfurter Haupt- verkehrsstraßen entwickeln.
In diesem Blogbeitrag (#02) betrachten wir den Frankfurter Alleenring und zeigen Entwicklungspotentiale dieser großen Ringstraße auf…
Stadtstraßen neu denken!
Bild: Faller, R.
Mehr Grün für alle!
Vom Alleenring zum Alleenpark…
Straßen und Plätze sind die wichtigsten öffentlichen Räume innerhalb unserer Städte – sie sind die Mittelpunkte städtischen Lebens und Orte für soziales Miteinander.
Ihre Dimensionierung und Gestaltung bestimmen dabei, wie intensiv wir diese Räume nutzen und in welchem Maße sie Einfluss auf die Lebensqualität in unseren Städten nehmen.
Über die vergangenen Jahrzehnte haben diese, einst von den Menschen vielfältig genutzten Stadt- und Straßenräume durch den zunehmenden Kfz-Verkehr und dem Planungsparadigma der „autogerechten Stadt“, viele ihrer ursprünglichen Funktionen verloren. Sie wurden zu Transitorten ohne Aufenthaltsqualität. Im Vordergrund der Straßen- und Platzgestaltungen stand die reibungslose Ver-kehrsabwicklung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV). Die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern rückten in den Hintergrund, für Aufenthalt, Kinderspiel und den sozialen Austausch wurden keine Flächen mehr vorgesehen.
Immer mehr Menschen zieht es weltweit vom Land in die Stadt. In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts lebten erstmalig 50 % der Menschen in Städten. Die dichter werdenden Städte benötigen qualitätsvolle Freiräume: Räume für spontane Begegnungen und Kommunikation, zum Aufenthalt und zur Erholung.
Ringe und Radialen prägen den Frankfurter Stadtgrundriss
Bild: Faller, R.
Die Projektidee „AlleenPark Frankfurt am Main“ entstand aus Überlegungen, wie die großen Frankfurter Stadtachsen umge- staltet und mit Grünräumen verbunden, überlagert und vernetzt werden können.
Der Frankfurter Stadtgrundriss wird von Ringen und Radialen ge- prägt. Der GrünGürtel bildet einen, den äußeren Grünen Ring, die Wallanlagen den inneren. Dazwischen liegt der in der Gründerzeit angelegte Alleenring. Ursprünglich als zweiter grüner Ring zu Er- holungs- und Verkehrszwecken angelegt, ist er heute eine der am stärksten befahrenen Straßen Frankfurts.
Der Grünzug des Alleenring bildet eine ca. 10 Hektar große innerstädtische Freifläche (zum Vergleich: Frankfurter Zoo, 11 Hektar), die sich mit wenigen Unterbrechungen halbkreisförmig um die gründerzeitliche Stadterweiterung zieht. Start und Endpunkt bildet jeweils das Mainufer.
Damit verfügt der Alleenring über das Potential zu einem großartigen innerstädtischen Erholungsraum und einer attraktiven Rad- und Fußwegeverbindung in der immer dichter werdenden Stadt zu werden. Ähnlich dem Frankfurter Mainufer kann er für die zukünftige Entwicklung der Stadt, eine wichtige Rolle spielen. Die Existenz dieses Potentialraums findet allerdings in der derzeitigen Stadt- und Freiraumpolitik kaum Beachtung. Ziel ist es das Vorhandensein und das Potential des mittleren Frankfurter Grünrings wieder in das Bewusstsein von Planern, Politikern und der Bevölkerung zu bringen.
Unterteilung des Alleenrings in Abhängigkeit der angrenzenden Funktionen und Nutzungen. Die Gestaltung des Freiraums soll zukünftig auf diese Charakteristika reagieren. Bild: Faller, R.
Der AlleenPark
Der Grünzug des Alleenrings soll zu einer linearen, innerstädtischen Parkanlage, dem „AlleenPark“ entwickelt werden. Dieser Park, der durch weite Teile des Stadtgebiets verläuft bietet so nicht nur einen durchgängigen qualitätsvollen Freiraum sondern kann zudem zu einer neuen grünen und sicheren Fahrrad und Fußwegeverbindung durch die Stadt werden. Darüber hinaus wird der Alleenring wieder als durchgängiger, die Stadt prägender Grünzug wahrnehmbar gemacht.
Entlang des Alleenrings befinden sich zahlreiche bedeutende Orte und Institutionen (z.B. Messe, Palmengarten, Senckenberg Naturmuseum, Goethe Universität, etc.), die den Ring in seiner Erscheinung bestimmen. In seinem Verlauf ändert der Straßenzug so mehrfach seine Charakteristik und stellt sich dadurch abwechslungsreich und spannend dar. Die Gestaltung des Grünraums soll zukünftig auf diese unterschiedlichen Charakteristika reagieren.
Status quo
Auf dem Alleenring besteht heute eine Verkehrsbelastung von bis zu 40.000 Fahrzeugen täglich. Die beidseitige Führung von zwei bis vier Fahrstreifen und die häufige Unterbrechung durch die Verkehrsschneisen der Radialstraßen machen den Grünzug schwer erreichbar und unattraktiv, so dass er derzeit weitgehend ungenutzt ist. Die starke Kfz-Belastung führt darüber hinaus zu starken Schall- und Abgasemissionen.
Der Alleenring ist auch „Freiraum“. Sein großer Grünzug ist jedoch durch Verkehr abgetrennt und weitgehend ungenutzt Fotos: Baltabol, B. / Faller, R.
Also zuerst: Verkehr neu denken…
Eine positive Entwicklung des Alleenrings ist ohne eine deutliche Verkehrsreduzierung kaum möglich. Mit der Umgestaltung des Alleenrings besteht in Frankfurt die Möglichkeit neue, radikale Verkehrsplanungsansätze mutig und mit Blick in die Zukunft voranzutreiben.
// Strategien
Strategien und Maßnahmen mit dem Ziel den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren.
Vorrang für Radfahrer und Fußgänger und ein intelligentes leistungsfähiges Nahverkehrssystem bilden hier den Grundstein der Veränderung.
Wichtig ist es, durch die Kombination der verschiedenen Maßnahmen starke Anreize zu setzen auf die Verkehrsträger des Umweltverbundes umzusteigen und gleichzeitig die Nutzung des eigenen Pkw unattraktiver zu gestalten.
# 01 // Freiraum statt Verkehrsraum!
Reduzierung der Fahrstreifen und Bündelung der Fahrspuren auf einer Seite
Der Entwurf sieht über die gesamte Länge des Alleenrings eine Reduzierung des Straßenquerschnitts für den MIV auf eine Fahrspur je Richtung sowie eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30 vor. Die Spuren für den Kfz-Verkehr werden auf einer Seite des Grünzugs gebündelt.
# 02 // Ohne Auto in die Stadt!
Durch die Reduzierung der Fahrstreifenanzahl und der Geschwindigkeit wird die Durchfahrung des Stadtgebiets für den Durchgangsverkehr unattraktiv. Dieser soll großräumig auf dem Autobahnring A5/A3/A661 um die Stadt geführt werden.
Zudem soll das Fahren mit dem Auto bis in die Innenstadt reduziert werden. Zukünftig soll der Pkw an neuen P+R-Anlagen außerhalb der Stadt, an den Autobahnkreuzen abgestellt werden. Mit einem Schnellbus gelangt man von dort zum „Mobility Hub“ wo man auf den ÖPNV umsteigen kann.
# 03 // Sanfte Mobilität!
Priorität für Fußgänger und Radfahrer
Der Alleenring wird so umgestaltet, dass Fußgänger und Radfahrer sichere und großzügig dimensionierte Bewegungsräume erhalten. Flächen für den MIV werden reduziert.
# 04 // Neue Ringbahn „Grüne Linie“
Schnelle ÖPNV-Verbindung auf dem Grünen Ring
Auf dem gesamten Alleenring wird eine Schnellbahnlinie (je nach Entwurfsstand eventuell auch autonome Fahrsysteme) eingerichtet. Diese erhält eigene Fahrspuren und fährt mit sehr kurzer Taktung.
# 05 // Verknüpfung am „Mobility Hub“
Die Ringbahn stellt eine Verbindung zu den zahlreichen radial ver-laufenden Stadtbahnlinien her. An diesen Kreuzungspunkten entstehen Mobilitätsknotenpunkte, die sog.“ Mobility Hubs“. Hier kann auf die zahlreichen Bahnlinien aber auch auf Carsharing Autos oder Leihfahrräder umgestiegen werden. Die „Mobility Hubs“ werden auch städtebaulich als besondere Orte ausgebildet. Sie stellen als besonders gestaltete Plätze Unterbrechungen im neuen Grünzug des Alleenrings dar, sie sind Orte der Bewegung und der Begegnung.
// und so geht’s… – Umsetzungsschritte
Der Alleenring ist heute durch seine extreme Verkehrsbelastung geprägt. Mit zwei bis vier Fahrstreifen je Richtung, zusätzlichen Längsparkständen und Abbiegespuren dominiert der motorisierte Individualverkehr den gesamten Straßenraum. Die Fahrbahnen bilden eine starke Barriere aus, was dazu führt, dass der mittige Grünstreifen, der mit bis zu 30 m eine beachtliche Breite aufweist, weitestgehend ungenutzt bleibt. Die starken Lärm- und Abgasemissionen des MIV führen zu einer sehr eingeschränkten Aufenthaltsqualität im Straßenraum.
In einer ersten Phase (Test- bzw. Aneignungsphase) werden im Bereich des nördlichen Alleenring die zwei nördlichen Fahrstreifen für den MIV gesperrt und ausschließlich für Radfahrer und Fußgänger freigegeben (eine Befahrung durch Rettungsfahrzeuge ist nach wie vor möglich). Der MIV und die vorhandene Buslinie werden auf der südlichen Seite des Straßenraums gebündelt. Das Tempo wird auf 30 km/h beschränkt. Zeitgleich zu dieser Maßnahme entstehen an den Anschlussstellen der Stadtautobahnen A66 und A 661 Park- und Ride-Anlagen mit kostenfreier Schnellbusanbindung. Ziel dieser Maßnahmen ist eine Verdrängung des reinen Durchgangverkehrs (derzeit ca. 1⁄4 der Kfz auf dem nördlichen Alleenring) auf den äußeren Autobahnring (A5/A3/A661), eine Verlagerung des Pendler- und des innerstädtischen Verkehrs auf ÖPNV und Fahrrad. Der Grünstreifen wird langsam in Besitz genommen und die Umgestaltung zum „Alleenpark“ beginnt. In einem Zwischenschritt erhält der Bus eine eigene Spur je Richtung und der MIV wird auf eine Spur je Richtung reduziert.
Der gesamte Straßenraum wird umgestaltet. Die Parkanlage reicht im Norden bis an die Vorzonen der Häuser. Im Süden verbleibt neben einem breiten Fußweg nur noch eine Fahrspur je Richtung für den Kfz-Verkehr bestehen. Die neue Ringbahn erhält eigene Spuren bzw. Gleisanlagen. Der teilweise begrünte „Multifunktionsstreifen“ zwischen Bahn und MIV nimmt Kurzhaltezonen und die Haltestellen der „Grünen Linie“ auf. Ein breiter durchgängiger Fahrradweg ergänzt die „Verkehrszone“ im Süden. Die sich anschließende Parkfläche erhält ein neues Wegenetz, das zum zu Fuß gehen einlädt, sowie vielfältige Spiel- und Sportmöglichkeiten, zahlreiche Sitzgelegenheiten und „Lerninseln“ mit WLAN Zugang.
// Szenario “AlleenPark” Abschnitt Nord
Beispiel Umgestaltung des nördlichen Alleenring Bild: Faller, R.
„AlleenPark“ an der Deutschen Nationalbibliothek
An der Kreuzung zwischen Alleenring und Eckenheimer Landstraße soll mit dem „Turm der Bücher“ ein Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek entstehen. Im Erdgeschoß sind kleine Geschäfte und Cafés vorgesehen. Der „Mobility Hub“ soll hier zukünftig einen wichtigen ÖPNV-Knotenpunkt mit neuer Ringlinie, bestehender U-Bahn und Bike- und Carsharing-Angeboten bilden.
„Turm der Bücher“ und „Mobility Hub“ an der Eckenheimer Landstraße Bilder: Faller, R.
Die Fahrspuren auf dem Alleenring werden insgesamt reduziert und in diesem Bereich nach Süden verlagert. So entsteht Raum für einen neuen großzügigen Park.
Beispiel „AlleenPark“ an der Frankfurt University of Applied Sciences Bild: Faller, R.
Spiel und Sport im neuen „AlleenPark“ Bilder: Faller, R.
Beatrix Baltabol ist Architektin mit einem zusätzlichen Masterabschluss in Stadt- und Verkehrsplanung. Rebecca Faller ist Landschaftsarchitektin mit einem zusätzlichen Masterabschluss in Stadtplanung. Beide leben und arbeiten in Frankfurt am Main und sind täglich zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem ÖPNV und auch gelegentlich mit dem Auto in der Stadt unterwegs. Auf ihren Wegen entstehen häufig Ideen und Visionen, wie sich Frankfurt verändern und weiterentwickeln könnte…
Ausblick Anfang Dezember 2018:
Blog | #03 „Straßen als Lebensraum – Zukunftsvisionen für Frankfurt“Umgestaltung der Radialstraßen (Verkehrsbelastung / Verkehrsanalyse)