Die Vorteile des Fahrrads sind zahlreich und wissenschaftlich belegt: Fahrradfahren ist gesund, gut für das Klima, schnell, lärm- und abgasfrei, gut für den Einzelhandel. Trotzdem sträubt sich die regierende Koalition in der Stadtverordnetenversammlung gegen eine Umsetzung unserer Forderungen; das ist für uns schwer nachzuvollziehen, da die Vorteile klar belegt sind. Wir verstehen aber, dass das Auto lange Zeit gefördert wurde und alte Gewohnheiten schwer abzulegen sind. Um den Radverkehr zu fördern, muss der Platz auf der Straße anders verteilt werden – und das kann nur zulasten des Autoverkehrs passieren. Das ist für manche Menschen schwer zu akzeptieren.

Natürlich wollen auch wir nicht, dass in Frankfurt der Verkehr zusammenbricht. Der Blick über den Tellerrand zeigt aber auch: In vielen Städten wurde Platz auf der Straße sehr erfolgreich umverteilt und nach einer kurzen Umgewöhnungszeit funktioniert die neue Straße wunderbar, auch mit weniger Fahrspuren und Parkplätzen. Wir sind der festen Überzeugung, dass das Gleiche auch in Frankfurt passieren wird. Um diese neuen Entwicklungen aber einfacher umsetzen zu können, können wir uns vorstellen, die von uns gewollten Änderungen zunächst durch provisorische Umbauten zu testen, um sie dann, nach dem erfolgreichen Test, permanent umzusetzen. Solche Provisorien haben viele Vorteile.

Was ist eine provisorische Lösung?

Eine provisorische Lösung, wie wir sie verstehen, ist eine mit günstigen und einfachen Mitteln realisierte Fahrradinfrastruktur, die den von uns angestrebten Endzustand im Bezug auf die Verkehrsführung gleichwertig darstellt. Dazu gehören insbesondere Markierungen sowie befestigte Trennbausteine, wie sie auch an der Kurt-Schumacher-Straße zum Einsatz kommen. Diese Bauteile sorgen für die von uns geforderte bauliche Trennung und Breite des Radwegs, sind aber im Bezug auf Gestaltung noch nicht final. So können die verkehrlichen Auswirkungen getestet werden.

Bereits installierte provisorische Lösung an der Kurt-Schumacher-Straße, als Reaktion auf den tödlichen Unfall im August 2018

Vorteil: Kosten

Der Umbau von Straßen kann sehr schnell sehr teuer werden, insbesondere wenn Bordsteine versetzt oder Gleise verlegt werden müssen. Wir fordern aus Gründen der Sicherheit und des Komforts baulich getrennte Radwege. Das geht in vielen Fällen nur, wenn ein Bordstein neu gebaut wird, oder andere große bauliche Maßnahmen durchgeführt werden. Provisorien können zunächst demonstrieren, dass eine Lösung grundsätzlich möglich ist, und eignen sich auch dazu, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, bevor für viel Geld wirklich gebaut wird. Auch einfache Markierungen und Plastik-Abtrennungen verursachen Kosten, diese sind aber sehr gering im Vergleich zu einem umfassenden Straßen-Umbau.

Nicht benutzbare Infrastruktur auf der Hanauer Landstraße. Hier müssen wahrscheinlich Parkplätze wegfallen, damit Platz für einen ordentlichen Radweg ist.

Vorteil: Verkehrliche Auswirkungen

Der Umbau einer Straße hat immer Auswirkungen, nicht nur auf den Verkehr auf der Straße selbst, sondern auch auf die umliegenden Straßen und das gesamte Verkehrsnetz. So etwas können die Verkehrsexpert*innen der Stadt zwar mit ihrem städtischen Verkehrsmodell simulieren, sicher sind die Auswirkungen aber erst, wenn die Änderung tatsächlich da ist. Provisorische Lösungen können so zeigen, wie sich der Verkehr umverteilt; vor allem können sie auch zeigen, dass bessere Radwege nicht den Zusammenbruch des KFZ-Verkehrs bedeuten. Durch diese Testphase können auch Erkenntnisse für die endgültige Lösung gewonnen werden, die so noch besser gemacht werden kann.

Vorteil: Zweifler überzeugen

Immer wieder sehen wir uns in Diskussionen mit der Frage konfrontiert, wie das denn alles klappen soll, wenn man den Platz so umverteilt. Menschen sind Gewohnheitstiere, und eine grundlegende Änderung der bestehenden Verhältnisse, so wie wir sie fordern, stößt schnell auf Ablehnung. Da hilft es auch nichts, dass ähnliche Maßnahmen bereits an vielen Orten erfolgreich umgesetzt worden sind – man muss es mit eigenen Augen sehen. Provisorische Lösungen können deshalb bei der Überzeugungsarbeit helfen und vor Ort demonstrieren, welche Vorteile eine solche Umbaumaßnahme bringt: nicht nur bessere Radwege, sondern generell mehr Platz auf der Straße, weniger Lärm, bessere Luft, mehr Aufenthaltsqualität. So können auch die Zweifler überzeugt werden.

Selbst der ADAC erkennt inzwischen an, dass Radinfrastruktur auch für den Autoverkehr Vorteile bringt: Link

Von sicherer Infrastruktur profitieren insbesondere auch Kinder, hier bei der ersten Frankfurter Kidical Mass im April 2019

Fazit
Die Maßnahme an der Kurt-Schumacher-Straße und die ständigen unfreiwilligen Experimente in Form von Baustellen zeigen, dass der KFZ-Verkehr an vielen Stellen ohne große Probleme auf eine Fahrspur oder ein paar Parkplätze verzichten kann. Wir wollen, dass in Frankfurt endlich umfassend etwas für den Radverkehr getan wird; denn wir glauben, dass der Radverkehr die Lebensqualität in Frankfurt für Alle massiv erhöhen kann.

Ein solcher Paradigmenwechsel lässt sich jedoch nicht mit Gewalt durchdrücken, sondern wir müssen Überzeugungsarbeit leisten, bei allen Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung, in den Ortsbeiräten und auf der Straße. Wir glauben, dass provisorische Lösungen hierzu einen großen Beitrag leisten können, weil sie für wenig Geld Varianten testen und, die Vorteile vor Ort demonstrieren und so den Weg zu Frankfurt als Fahrrad-Metropole ebnen können.

Alexander Breit ist Stadtplaner und Vertrauensperson des Radentscheids.