Für viele Menschen ist das Auto aus dem öffentlichen Raum nicht wegzudenken. Wie soll Mobilität anders funktionieren, als mit breiten Straßen und genügend Parkplätzen. Aber gehörte das Auto wirklich schon immer in die Stadt?

Beatrix Baltabol und Rebecca Faller zeigten in ihrem Blogbeitrag Straßen als Lebensraum, dass viele der innerstädtischen Straßen in Frankfurt noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts völlig anders aussahen als wir sie heute kennen. Straßen waren Stadträume mit hoher Aufenthaltsqualität und wenig Autoverkehr. Das heißt Menschen, die heute 90 sind, haben in ihrer Kindheit Straßen in der Stadt noch vollkommen anders erlebt: das Auto hatte nicht schon immer Vorfahrt.

Letztes Jahr wurde die neue Altstadt in Frankfurt eröffnet. Der Wiederaufbau ist ein Thema über welches sich streiten lässt. Kann es aber sein, dass neben der Fachwerkhausromantik noch etwas anderes dazu führt, dass viele Menschen die neue Altstadt schätzen? Es fahren keine Autos.

Die großen Stadtveränderungen in Frankfurt zugunsten des Autos begannen in den 1950er Jahren. Nach den Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg wurden viele Teile der Stadt neu geplant. Das Automobil wurde nun zum neuen Maßstab. Nach der Tagung des Internationalen Kongresses für neues Bauen (CIAM) 1933 in Athen galt die, in der Charta von Athen, verabschiedete Idee der „funktionalen Stadt“ mit der Trennung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Industrie als neuer Maßstab bei Stadtplanern und Architekten. Verbunden wurden die einzelnen Teile durch das Automobil, die sogenannte „autogerechte Stadt“ wurde mitgebaut. Der „funktionalen Stadt“ lagen viele wohlgemeinte Ideen zu Grunde: zum Beispiel raus aus der Enge der überbevölkerten Innenstädte und mehr Platz und Licht zum Wohnen. Da Frankfurt nach dem Krieg in vielen Teilen stark zerstört war, konnte der Aufbau als „funktionale und autogerechte Stadt“ gut umgesetzt werden. Breite Straßen wie die Berliner Straße (1953 eingeweiht) wurden als Schneisen durch die Stadt gebaut. Trabantenstädte – Wohngebiete für Pendler – wie die Nordweststadt (1962–1968) umgesetzt.

Schon bald zeigten sich jedoch die Nachteile. Bereits in den 1960er und 1970er Jahren begann man damit Teile des Stadtraumes wieder umzuwidmen. Die „autogerechte Stadt“ bedurfte Einkaufsstraßen. Straßen wurden für den Autoverkehr gesperrt und zu Fußgängerzonen: 1972 die Zeil, es folgte 1977 die Freßgasse, dann der Opernplatz, der Börsenplatz und erst seit 2009 auch die Hauptwache. Nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt brachten die Umwidmungen großen Gewinn an Lebensqualität, sondern auch für die Gewerbetreibenden steigende Einnahmen.

Es ist mittlerweile schon fast in Vergessenheit geraten, dass man noch vor 10 Jahren die Hauptwache mit dem Auto queren konnte. Wo es vorher lange Diskussionen gab, zu welchem Verkehrskollaps die Sperrung führen würde, kann man es sich heute fast nicht mehr vorstellen, dass dort zur Jahrtausendwende noch Autos fuhren.

Stadtraum kann seine Nutzung verändern und hat es schon immer getan. Frankfurt hat es schon einmal geschafft sein Image zu verändern. Das teilweise unwirtliche Mainufer wurde zum Museumsufer und „Krankfurt“ zu einer Kulturstadt. Noch ist etwas Zeit und man könnte es bei der Mobilitätswende wieder einmal schaffen, Vorreiter zu sein. Von der Stadt mit dem ersten drohenden Dieselfahrverbot zur Metropole der kurzen Wege zu Fuß und mit dem Rad. Die Stadt mit der Campusmeile und dem AlleenPark.

Campusmeile und AlleenPark gelten noch als Visionen, aber auch Visionen können umgesetzt werden. Realität ist, dass ab dem Sommer diesen Jahres das nördliche Mainufer vorerst probeweise für den Autoverkehr gesperrt wird. Erstmals ein Stadtraum für Fußgänger ohne die primäre Einladung zum Konsum, sondern als reine Freifläche. Es ist nur ein kleiner zaghafter Versuch, aber hoffentlich ein großer Anstoß zum Umdenken. Ich freue mich darauf und bin gespannt was die Frankfurterinnen und Frankfurter aus dem neuen Stadtraum machen.

Katharina Knacker ist Kunsthistorikerin, geborene Frankfurterin und engagiert sich für den Radentscheid.