Der Radentscheid Frankfurt fordert zentral: baulich getrennte Radwege an Hauptverkehrsstraßen. Wir wollen Menschen überall in Frankfurt das sichere Radfahren ermöglichen – und das betrifft gerade auch die Hauptverkehrsstraßen. Hohes Verkehrsaufkommen und hohe Geschwindigkeiten, gekoppelt mit momentan überwiegend gefährlichen, mangelhaften bis nicht vorhandenen Radwegen oder Schutzstreifen macht das Radfahren auf Hauptverkehrsstraßen zum Risiko, sodass gerade Menschen, die nicht viel Fahrrad fahren und Kinder dort nur schlecht fahren können.

Häufig hören wir von Kritikern den Vorschlag, den Radverkehr statt über Hauptverkehrsstraßen über Nebenstraßen, sog. „Parallelrouten“ zu führen. So würden Rad- und Kraftverkehr getrennt und trotzdem attraktive Radverbindungen geschaffen. Auch wenn diese Logik auf den ersten Blick schlüssig scheint, lehnen wir es ab, Neben- und Hauptstraßen gegeneinander auszuspielen. Sicheres Radfahren muss auf allen Straßen möglich sein. Daher lehnen wir die Einrichtung von Parallelrouten ab, wenn sie dazu führt, dass auf Hauptstraßen keine baulich getrennten Radwege eingerichtet werden. Im Folgenden begründen wir, warum.

Eckenheimer Landstraße, schlechter Radweg
Beispiel für eine Hauptstraße: die Eckenheimer Landstraße, mit schlechtem Radweg

Radfahren muss auf allen Straßen möglich sein.

Genauso wie Autofahrende erwarten, dass sie in allen Straßen eine ausreichend breite Fahrspur vorfinden, so erwarten auch wir, dass für Radfahrende auf allen Straßen ein sicheres Fahren möglich ist. Dafür gibt es, je nach Straßenbreite und Verkehrsaufkommen verschiedene Möglichkeiten – bei geringer Geschwindigkeit und Verkehrsaufkommen auch das Fahren auf der Fahrbahn, auf Hauptstraßen aber eben eine bauliche Trennung, wie weiter oben erläutert. Deshalb müssen diese Straßen umgestaltet werden – wenn nötig, auch zulasten des Kraftverkehrs.

Sichere Nebenstraßen entbinden die Stadt Frankfurt nicht von der Pflicht, auch auf Hauptstraßen ein sicheres Fahren zu ermöglichen.

Hauptstraßen sind schnell und einfach zu finden.

Wir wollen Menschen dazu bewegen, vom KFZ auf das Rad umzusteigen. Dafür muss Radfahren sicher, schnell und komfortabel sein. Die Hauptstraßen haben ihren Status nicht ohne Grund: sie wurden als direkte Verbindungen geplant und angelegt. Damit sind sie in vielen Fällen die schnellste Verbindung. Darüber hinaus sind sie aufgrund ihrer Größe leicht zu finden und zu folgen. Alternativrouten über Nebenstraßen wären im Vergleich schwerer zu finden, sie müssten beschildert werden und verursachen Umwege. Gerade für Menschen, die nicht viel Fahrrad fahren und somit auch über weniger Ortskenntnis verfügen, sind Hauptstraßen, wenn sie denn über sichere Infrastruktur verfügen, einfach intuitiver und schneller.

An Hauptstraßen befinden sich die attraktiven Ziele.

Straßen sind auch Lebensraum. Sie sind nicht nur für den Verkehr da, sondern auch für Aufenthalt, Freizeit, Geschäfte. Wer die Friedberger Landstraße nur als Weg in die Innenstadt begreift, tut ihr schweres Unrecht. An den Hauptstraßen befinden sich zahlreiche Geschäfte, Lokale, Bars. Wer den Radverkehr auf Nebenstraßen verbannt, nimmt diesen Gewerbetreibenden aktiv Kunden weg. Auch viele andere wichtige Ziele für Verkehr finden sich direkt an Hauptverkehrsstraßen: Theater, Kinos, Ämter, Krankenhäuser… Alle diese Ziele müssen auch mit dem Fahrrad sicher erreichbar sein. Daher braucht es auch auf Hauptstraßen baulich getrennte Radwege.

Schöne Aussicht nach dem Umbau
Eine umgestaltete Hauptstraße: die Schöne Aussicht. Zwar keine bauliche Trennung, aber ein guter Anfang.

Hauptstraßen profitieren am meisten von einer Reduktion des Kraftverkehrs.

Das Leben an Hauptstraßen ist sehr belastend. Lärm und Abgase schädigen die Gesundheit der Anwohner:innen – das wirkt sich unmittelbar auf die Lebensqualität und die Lebenserwartung aus. Damit profitieren Hauptstraßen (bzw. die Anwohner:innen und umliegende Gewerbe) am stärksten von guten Radverkehrsanlagen. Durch die Reduktion des Kraftverkehrs sinkt die Belastung durch Lärm, Abgase, Feinstaub. Die Lebensqualität steigt so massiv an. Davon profitiert nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Aufenthaltsqualität – zum Beispiel durch Außengastronomie von Cafés und Restaurants.

Fazit

Die Forderung nach der Einrichtung von Parallelrouten präsentiert sich sachlich fundiert, ist es aber nur auf den ersten Blick. Wie oben dargestellt, sprechen viele Gründe dafür, Hauptstraßen fahrradsicher auszubauen (wobei das den Umbau der Nebenstraßen sicher nicht ausschließt). Fundamental zeugt der Wunsch einer parallelen Wegeführung aber auch von einem Missverständnis, welche Funktionen eine Straße hat. Es geht nicht nur um die Abwicklung von Verkehr, sondern auch um öffentlichen Raum, der zur Nutzung und zum Aufenthalt einlädt. Schließlich ist die Forderung auch paternalistisch: Der Radverkehr kann ruhig in die Nebenstraßen gedrückt werden, damit der Autoverkehr nicht eingeschränkt werden muss.

A city engineer explains that they don't need to put bike lanes on Main Street because there's a nearby parallel route and he shows a map of a convoluted, complex, absurdly long parallel bike route
So soll es nicht sein. Copyright Andy Singer

Aber so gelingt die Mobilitätswende nicht! Das Fahrrad muss in der Verkehrspolitik als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt werden und auch dementsprechend einen Platz auf den Straßen finden – auch und insbesondere auf den Hauptstraßen! Nur wenn Rad fahren sicher, komfortabel und schnell ist, wird das Fahrrad endlich zum Massenverkehrsmittel werden. Deshalb lehnt der Radentscheid Frankfurt es ab, den Umbau der Hauptstraßen zurückzustellen oder durch Parallelrouten zu ersetzen. Wir werden uns weiterhin für den Umbau von Hauptstraßen und Nebenstraßen stark machen, damit Frankfurt endlich zur Fahrradstadt wird.